Eugen Salomon und Familie


Alice und Eugen Salomon, 1913

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Quelle: privat

Eugen Salomon

  • geboren am 5. März 1888 in Wörrstadt
  • Flucht 1933 nach Frankreich
  • nach Auschwitz deportiert und am 14. November 1942 ermordet

Alice Salomon, geb. Lazard

  • geboren 1894 in St. Avold (heute: Frankreich)
  • Flucht 1933 nach Frankreich; nach der deutschen Besetzung mit Hilfe überlebt
  • 1956 an den schweren gesundheitlichen Spätfolgen der Zeit in Vichy-Frankreich gestorben

Erwin Salomon

  • geboren 1914 in St. Avold (heute: Frankreich)
  • Flucht 1933 nach Frankreich; nach der deutschen Besetzung mit Hilfe überlebt

Alfred Salomon

  • geboren 1917 in St. Avold (heute: Frankreich)
  • Flucht 1933 nach Frankreich; nach der deutschen Besetzung mit Hilfe überlebt

Eugen Salomon wurde am 5. März 1888 als Sohn von Moritz und Fanny Salomon im rheinhessischen Wörrstadt geboren. Um 1900 zogen die Eltern mit Eugen und seinem Bruder Emil nach Mainz. Hier gründete Eugen gemeinsam mit einigen anderen sportbegeisterten jungen Männern im Jahr 1905 den Fußballverein „1. Mainzer Fußballclub ‚Hassia‘ 05“, den heutigen „1. FSV Mainz 05“. Eugen Salomon war einige Jahre lang der Vorsitzende.


Jüdinnen*Juden im (Fußball-)Sport

Dass zahlreiche deutsche Fußballvereine in ihren Anfangsjahren von jüdischen Spielern und Funktionären geprägt wurden, ist oftmals in Vergessenheit geraten – so auch lange Zeit beim „1. FSV Mainz 05“ und dem „FC Bayern München“. In den 1870er-Jahren gelangte der Fußball aus England in das Deutsche Kaiserreich und fand hier – nach anfänglicher Ablehnung gerade aus der Turnerbewegung – auch unter Jüdinnen*Juden viele begeisterte Anhänger*innen. In den neu gegründeten Fußballvereinen bot sich die Möglichkeit, in der Gemeinschaft mit den christlichen Mitgliedern in Wettbewerben Erfolge zu erzielen. Die Bedeutung jüdischer Funktionäre in den Vereinen ist exemplarisch am „1. FSV Mainz 05“ und dem „FC Bayern München“ zu erkennen. So waren Eugen Salomon und Kurt Landauer viele Jahre Vorsitzende bzw. Präsidenten dieser Vereine und prägten so gerade in den Anfangsjahren das Vereinsleben. Der Großteil jüdischer Sportler*innen war zunächst in nicht-jüdischen Vereinen aktiv. Gleichwohl gründeten sich in den 1920er-Jahren zunehmend jüdische Vereine; die größten Verbände im Südwesten waren ab 1933 der „Makkabi“, der „Schild“ und „Vintus“. Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf den erstarkenden Antisemitismus in der Gesellschaft. Auch in Mainz gründeten sich in dieser Zeit jüdische Sportvereine: 1926 der „Bar Kochba Mainz“, 1931 der „Sportklub Hakoah Mainz“ und 1933 der „Schild Mainz“. In der Zeit unmittelbar nach der ‚Machtübernahme‘ der Nationalsozialisten wurden die jüdischen Vereine ein zentraler Rückzugsort für jüdische Menschen. So wurden bereits 1933 sämtliche jüdischen Mitglieder aus den nicht-konfessionellen Sportvereinen ausgeschlossen; viele Vereine führten einen sogenannten ‚Arierparagrafen‘ ein. In einer gemeinsamen Erklärung verkündeten am 9. April 1933 14 Fußballvereine – darunter Bayern München und Eintracht Frankfurt – dass sie jüdische Sportler*innen und Mitglieder aus ihren Vereinen ausschließen werden. Die Betätigung in jüdischen Sportvereinen bot somit vielen Jüdinnen*Juden in der Zeit der zunehmenden Ausgrenzung und Verfolgung einen Ort, an dem sie ein Stück Normalität erleben konnten.
Nach dem Novemberpogrom 1938 verbot die Geheime Staatspolizei sämtliche jüdische Vereine, sodass es spätestens Anfang 1939 keinen organisierten jüdischen Sport mehr im Deutschen Reich gab.


Seinen Militärdienst musste Eugen Salomon im damals zum Deutschen Reich gehörenden Lothringen ableisten. Dort lernte er Alice Lazard, die Tochter einer alteingesessenen jüdischen Familie in St. Avold, kennen. Sie heirateten, Eugen Salomon ließ sich im Heimatort seiner Frau nieder und eröffnete ein Textilgeschäft.

Das Paar bekam zwei Söhne, Erwin (1914) und Alfred (1917). Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als Lothringen wieder an Frankreich fiel, musste Eugen Salomon als Deutscher – im Krieg hatte er als Unteroffizier gegen Frankreich gekämpft – das Geschäft aufgeben. Er ging mit seiner französischen Frau und den beiden Kindern zurück nach Mainz, wo die Familie in der Boppstraße 64 eine Wohnung fand. Eugen arbeitete auch hier in der Textilbranche und war in diesen Jahren wieder im Vorstand ‚seines‘ Fußballvereins aktiv.

Adressbucheintrag 1924/25 mit der Webwarengroßhandlung Eugen Salomons (Quelle: Stadtbibliothek Mainz)

Eugen Salomons Hemdengeschäft in Saint Avold (Quelle: privat)

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernommen hatten und die Judenverfolgung begann, floh die Familie Salomon nach St. Avold, wo Alices Eltern lebten. 1934 konnte Eugen dort erneut ein Geschäft aufbauen, verbunden mit einer rasch erfolgreichen Hemden- und Schürzenfabrikation.


Nach Kriegsausbruch im September 1939 wurde die grenznahe Region in Lothringen allerdings evakuiert. Die Salomons wurden ins Innere Frankreichs umgesiedelt und hatten wieder ihre Existenzgrundlage verloren. Nach dem Einführen der ‚Judengesetze’ in Frankreich mussten Jüdinnen*Juden auch hier den gelben Stern tragen. Am 6. Oktober 1942 wurde Eugen Salomon bei einer Razzia verhaftet und am 6. November über das Durchgangslager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert und dort am 14. November 1942 ermordet. Seine Frau Alice und die beiden Söhne konnten in den unbesetzten Teil von Frankreich fliehen und überlebten dort unter schwierigsten Bedingungen. Alice Salomon trug als Folge schwere gesundheitliche Schäden davon und starb 1956.

Der Verein 1. FSV Mainz 05 hatte Eugen Salomon nie vergessen. 2005 wurde er im Rahmen der 100-Jahr-Feier des Vereins thematisiert; so stellte man seine Biografie in einer Festschrift dar. Damals ging man jedoch noch davon aus, dass er in die USA geflüchtet war und dort überlebt hatte. Im Zuge einer kontrovers diskutierten Namensbenennung der Zufahrtstraße vom Europa-Kreisel zum neuen Stadion des 1. FSV Mainz 05, rückte der in der Öffentlichkeit fast vergessene Eugen Salomon wieder ins Bewusstsein der Mainzer*innen. Nachdem der Ortsbeirat in Bretzenheim den Namen „Arenastraße“ vorgeschlagen hatte, setzten sich die „Supporters“, der Fan-Dachverbandes der 05er, dafür ein, der Straße zum Stadion den Namen Eugen Salomons zu geben. Die Diskussionen über die Straßenbenennung initiierten ein Forschungsvorhaben von Dr. Hedwig Brüchert vom Institut für Geschichtliche Landeskunde und Dr. Frank Teske vom Stadtarchiv Mainz. Erst hierdurch konnte das Schicksal Eugen Salomons, der bis dahin als Überlebender galt, geklärt werden. Am 6. April 2011 wurde schließlich die Straße zum Stadion der 05er als „Eugen-Salomon-Straße“ eingeweiht. Ein Zeitungsartikel über die Straßenbenennung führte dazu, dass Dr. Hedwig Brüchert in Kontakt mit den Enkeln Eugen Salomons, Serge und Lydie, kam.

Straßenschild auf dem Weg zum Fußballstadion vom 1. FSV Mainz 05 (Quelle: Ein mainzer; CC BY-SA 3.0)
Stolpersteinverlegung mit den Nachkommen Eugen Salomons (Quelle: Brüchert)

Am 5. März 2013, dem 125. Geburtstag von Eugen Salomon, wurden vor dem Haus in der Boppstraße 64 vier Stolpersteine zum Gedenken an Eugen, Alice, Erwin und Alfred Salomon verlegt. In kurzen Ansprachen erinnerten die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse, der Vizepräsident des 1. FSV Mainz 05, Peter Arens und der Vorsitzende des Fan-Clubs „Supporters Mainz“, Dr. Udo Seyfarth, an das Schicksal der Familie. Eugen Salomons Enkelin Lydie Hugendubel sprach einige bewegende Worte für die Nachkommen. Mit ihr waren ihr Bruder Serge Salomon und Eugens Urenkel Eric Salomon nach Mainz gekommen.



Foto: HdE

Verfasserin: Dr. Hedwig Brüchert

Redaktionelle Bearbeitung: HdE



Literaturhinweise:

Brüchert, Hedwig: Eugen Salomon, URL: <https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/biographien/salomon-eugen.html> [aufgerufen am 25.03.2021].

Drechsler, Henrik: „Da war es schön, wenn ich […] abends für meinen Sport trainieren konnte.“ Die Erinnerungen Walter Grünfelds und der jüdische Sport in Mainz, Vortrag im Rahmen des Gedenktages 27. Januar 2021, Mainz: 09.02.2021, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=EtZOMKnhDb8&t=2796s>.

Fittkau, Ludger: Von der Vereinsspitze nach Auschwitz, URL: <https://www.deutschlandfunk.de/von-der-vereinsspitze-nach-auschwitz.1346.de.html?dram:article_id=196707> [aufgerufen am 25.03.2021].

Peiffer, Lorenz/ Wahlig, Henry: Jüdische Fußballvereine im nationalsozialistischen Deutschland. Eine Spurensuche, Göttingen 2015.

Peiffer, Lorenz /Wahlig, Henry: Verlorene Helden. Von Gottfried Fuchs bis Walther Bensemann – Die Vertreibung der Juden aus dem deutschen Fußball nach 1933, in: 11 Freunde (2014), H. 3b (Beilage), URL: <https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/13724-11F_148_beilage_gesamt.pdf> [aufgerufen am 09.02.2021].

Schulze-Marmeling, Dietrich: Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. Aufstieg und Zerschlagung einer liberalen Fußballkultur, Göttingen 32017.




Foto: Stadtarchiv Mainz, BPSF/16046a

Die Stolpersteine wurden am 5. März 2013 in der Boppstraße 64 verlegt.

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