Boykott

Der von den Nationalsozialisten am 1. April 1933 ausgerufene Boykott sorgte reichsweit dafür, dass die Bevölkerung daran gehindert wurde, Geschäfte jüdischer Inhaber*innen, jüdische Arztpraxen sowie jüdische Anwaltskanzleien zu betreten.

Der vom NS-Regime am 1. April 1933 ausgerufene Boykott fand zentral organisiert reichsweit statt. Er richtete sich gegen Geschäfte jüdischer Inhaber*innen sowie gegen jüdische Anwaltskanzleien und jüdische Arztpraxen. „Der Boykott war eine medienwirksame Inszenierung der antisemitischen Politik des neuen Regimes, und er wurde begleitet von einer umfassenden Plakat- und Flugblattpropaganda, die für diese Politik der Nationalsozialisten warb.“ (Ahlheim, 2011, S. 7). Die Bilder dieses Boykotts gingen 1933 durch die internationale Presse. Sie zeigten SA-Männer, die versuchten, Kund*innen vom Betreten und vom Einkauf in jüdischen Geschäften abzuhalten. In Mainz hatten die meisten jüdischen Geschäftsinhaber*innen ihre Geschäfte an diesem Samstag geschlossen gehalten. Die Propaganda und das aktive Einschreiten in das alltägliche Kaufverhalten der deutschen Bevölkerung wird als Boykott bezeichnet.

Der erste Boykott in Mainz fand bereits am 9. März 1933 statt. Hier ein Auszug aus der Mainzer Tageszeitung vom 10. März 1933:

„S.A. vor Mainzer Warenhäusern.

Damit deutsche Volksgenossen sich ihrer Pflicht bewußt werden, stellte gestern Abend die S.A. an jeden Eingang der Stubs Quelle einen Doppelposten, der die Käufer auf ihr volksschädigendes Verhalten hinwies. Während Juden groß verdienen, wissen Deutsche nicht, wo sie das nötigste zum Leben hernehmen sollen. Die erstmals in Mainz erprobte Maßnahme hatte überraschenden Erfolg. Weil sich sofort ein Auflauf bildete, sah der Herr Stub[1] sich gezwungen, seinen Laden zuzumachen. Das gleiche Verfahren wurde vor den Warenhäusern Tietz, Lahnstein, Wollworth [gemeint ist Woolworth] und der Ehape angewandt“.

(zitiert nach: Berkessel u.a., 2016, S. 114)

Am 1. April 1933 erfolgte dann ein Boykott im gesamten Deutschen Reich gegen jüdische Geschäfte, Warenhäuser, Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien. SA-Einheiten klebten Schilder mit Aufschriften wie beispielsweise „Achtung, Jude! Betreten verboten!“ und „Deutsche, kauft nur in deutschen Geschäften“ (Berkessel u.a., 2016, S. 114) an Schaufensterscheiben und Türen der Geschäfte, Praxen und Kanzleien. Viele, vor allem kleinere jüdische Unternehmen, erlebten durch die Boykotte und Diffamierungen einen so starken wirtschaftlichen Schaden, dass sie ihre Geschäfte aufgeben mussten.


Literaturhinweis:

Ahlheim, Hannah: „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“. Antisemitismus und politischer Boykott in Deutschland 1924 bis 1935, Göttingen 2011.

Brüchert, Hedwig: „Arbeitsschlacht“, „Arisierung“, „Arbeitssklaven“. Aspekte des Mainzer Wirtschaftslebens in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Stadt Mainz (Hrsg.): Der Nationalsozialismus in Mainz 1933–1945. Terror und Alltag (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz, Bd. 36), Mainz 2008, S. 35–47.

Stub, Abraham Shlomo: Erinnerungen. Von Bobov über Magenza nach Jerusalem. Aus dem Hebräischen übersetzt und hrsg. von Andreas Lehnardt (Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter), Mainz 2012.


[1] „Stubs Quelle“ war ein bei der Mainzer Bevölkerung sehr beliebtes Billigkaufhaus, das später, beim Pogrom vom 9./10. November 1938, zerstört wurde.


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