Familie Goldschmidt


Josef Goldschmidt Ende der 1930er Jahre

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(© Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland)


Johanna (Hannchen) Goldschmidt, geb. Fröhlich

  • geboren am 27. April 1881 in Unteralterheim, Würzburg
  • deportiert am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz

Josef Goldschmidt

  • geboren am 15. Februar 1876 in Würzburg
  • deportiert am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz

Manfred Moses Goldschmidt

  • geboren am 11. Oktober 1911 in Würzburg
  • deportiert am 30. April 1942 nach Ghetto Krasniczyn

,Heimeinkaufsvertrag‘

Nach der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 begann man vermehrt jüdische Menschen, die zu diesem Zeitpunkt über 65 Jahre alt waren, Verwundete aus dem Ersten Weltkrieg, nicht-jüdische Frauen aus ,Mischehen‘ und sogenannte ,Geltungsjuden‘ nach Theresienstadt zu deportieren. Das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt hatte innerhalb des nationalsozialistischen Lagersystem eine gewisse Sonderstellung, da es als eine Art Vorzeigelager galt und in der NS-Propaganda als Altersdomizil präsentiert wurde. Viele Juden*Jüdinnen mit beweglichem Vermögen, etwa Wertpapieren, Bankkonten und Hypotheken, mussten vor ihrer Deportation sogenannte ,Heimeinkaufsverträge‘ unterschreiben. In dem Vertrag mit der ,Reichsvereinigung‘ wurde ihnen ein Platz in dem ,Theresienstädter Altersheim‘ zugesichert. Die Verträge sollten so die Mordabsicht verschleiern und stattdessen eine ,Wohnsitzverlegung‘ suggerieren. Bei der Weigerung eines Vertragsabschlusses wurde den Juden*Jüdinnen durch die Gestapo mit einem ,Osttransport‘, also einer Deportation in ein Konzentrations- oder Vernichtungslager in das besetzte Polen, gedroht. Meist mussten die Juden*Jüdinnen ihr gesamtes Vermögen hierfür aufbringen und erfuhren erst bei der Ankunft im ,Ghetto Theresienstadt‘, dass es sich bei den Verträgen um einen Betrug handelte. Statt Einzelzimmer, Fürsorge und Pflege erwartete sie katastrophale Unterbringungen und Verpflegung. Es gab kaum geheizte Wohnstätten, mangelhafte Ernährung und unzureichende ärztliche Versorgung. Über 300.000 der nach Theresienstadt deportierten Menschen starben an den dort herrschenden menschenunwürdigen Bedingungen noch in diesem Lager. Über 70.000 Menschen wurden weiter in Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Ab Herbst 1942 wurden viele Juden*Jüdinnen im Alter von über 65 Jahren nicht mehr nach Theresienstadt, sondern direkt in ein Vernichtungslager im Osten deportiert.


Josef Goldschmidt, 1876 in Würzburg geboren, eröffnete um 1900 in Würzburg eine Herrenschneiderei mit Ladengeschäft. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Unteroffizier in einer Eisenbahn-Einheit teil. Ab 1937 war der gelernte Schneider ohne Beschäftigung. Verheiratet war Josef Goldschmidt mit Johanna (Hannchen) Fröhlich, die 1881 in Unteraltertheim im Landkreis Würzburg geboren worden war. Das Ehepaar hatte acht Kinder. 1927 zog die Familie nach Hanau, später lebte sie in Frankfurt am Main und Mainz. In Mainz besaß die Familie die traditionell-jüdische Gaststätte „Restaurant Goldschmidt“ in der Klarastraße 13, das zuletzt vor den Deportationen auch als Wärmestube der jüdischen Gemeinde genutzt wurde.

Josef Goldschmidt und seine Ehefrau Hannchen Goldschmidt, geborene Fröhlich, schlossen am 11. September 1942 einen sogenannten ‚Heimeinkaufsvertrag‘, der ihnen angeblich lebenslang freie Unterkunft und Verpflegung, Wäschedienst und ärztliche Versorgung in einer Gemeinschaftsunterbringung – Ghetto Theresienstadt – sicherte. Auf dem ,Heimeinkaufsvertrag‘ steht die Adresse Löwenhofstraße 4, jedoch ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht mehr um einen frei gewählten Wohnort handelte. Von Mainz aus wurden sie am 24. September 1942 nach Darmstadt, am 30. September 1942 weiter nach Theresienstadt und am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die acht Kinder des Ehepaars hatten ganz unterschiedliche Schicksale. Die beiden ältesten Söhne Leopold Isaak und Max Meier wurden beide Opfer der Shoah. Leopold Isaak, 1906 geboren, lebte wohl zweitweise in Berlin, Frankfurt am Main und Mainz. 1935 heiratete er Herta Marie Per. Sein weiteres Schicksal ist leider nicht weiter bekannt. Nach dem privaten Zeugnis einer Verwandten ist er im Holocaust unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Max Meier Goldschmidt, 1907 geboren, lebte nach einer kaufmännischen Ausbildung in Düsseldorf und Aachen, zeitweise wohl auch in Mainz. Von Aachen aus wurde er am 22. März 1942 nach Izbica und von dort aus vermutlich am 14. Mai 1942 weiter nach Majdanek deportiert und ermordet.

Die älteste Tochter Recha, 1909 geboren, war als gelernte Krankenschwester im Jüdischen Schwesternhaus und im Rothschild’schen Hospital in Frankfurt am Main, später im Israelitischen Kurhospiz am Altenberg in Bad Kissingen tätig. 1937 kehrte sie zu ihrer Familie nach Mainz zurück, ehe ihr dann die Emigration nach England gelang. Dort heiratete sie Arnold Thoms, mit dem sie eine Tochter, Vera Thoms, hatte. Nach Kriegsende kehrte sie nach Deutschland zurück, wo sie 2001 mit 92 Jahren verstarb.

Auch der 1913 geborenen Tochter Charlotte (Lotte) Goldschmidt, dem 1914 geborenen Sohn Heinrich und dem 1918 geborenen Sohn Bernhard Goldschmidt gelang die Flucht aus Deutschland. Charlotte Goldschmidt ließ sich in San Francisco nieder. Heinrich Goldschmidt emigrierte nach seiner Tätigkeit als Lehrer an jüdischen Volksschulen noch vor Kriegsbeginn nach England und später in die USA. Dort schlug er eine Artistenlaufbahn ein und wurde als Balljongleur bekannt. 1962 kehrte er nochmals nach Würzburg, seiner Geburtsstadt, zurück, ehe er 1980 wieder nach Kalifornien auswanderte. 2005 starb er in Santa Cruz, wo er zuvor längere Zeit gelebt hatte. Bernhard Goldschmidt emigrierte zunächst nach Tel Aviv, später nach San Francisco, wo er 1950 Irmgard Schanzer aus Köln heiratete.

Der jüngste Sohn, Emanuel Goldschmidt, geboren am 12. April 1920, wurde nur ein Jahr alt und verstarb bereits 1921.

Leopold Isaak Goldschmidt

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© Yad Vashem Collection: https://collections.yadvashem.org/de/names/14021817


Der Sohn Manfred Moses Goldschmidt wurde am 11. Oktober 1911 in Würzburg geboren. Er begann Ausbildungen zum kaufmännischen Angestellten und Metzger, brach diese aber ab.
Manfred Moses Goldschmidt lebte bei seinen Eltern, die in der Klarastraße 13 II in Mainz wohnten. 1930 ist er nach Angaben des Vaters „plötzlich erkrankt“. Es folgte vom 7. August 1930 bis zum 23. Januar 1931 ein Anstaltsaufenthalt in Marburg. Bis September 1933 lebte Manfred Moses Goldschmidt wieder bei seinen Eltern in Mainz. Im September 1933 wurde er im Städtischen Krankenhaus in Mainz aufgenommen, von wo aus er am 27. Oktober 1933 in die Landes- Heil- und Pflegeanstalt nach Alzey gebracht wurde. Diese zeigte ihn beim Gesundheitsamt zur Unfruchtbarmachung nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ an. Am 29. Juni 1934 beschloss das Erbgesundheitsgericht Worms seine Sterilisierung. Dagegen legte der Vater Beschwerde beim Erbgesundheitsobergericht in Darmstadt ein: Eine Unfruchtbarmachung sei nach jüdischen Religionsgesetzen verboten. Diese Beschwerde blieb jedoch erfolglos: „Erfolg kann die Anfechtung nicht haben, da die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses ‚Schizophrenie‘ nicht zu bezweifeln ist. […] Wenn der Beschwerdeführer […] erklärt hat, aus religiösen Gründen sei er gegen die Sterilisation, so ist dies nicht beachtlich.“ Am 22. Oktober 1934 wurde Manfred Moses Goldschmidt im Mainzer Stadtkrankenhaus sterilisiert. 

Danach lebte Manfred Moses Goldschmidt bis 1937 bei seinen Eltern. Zwischen dem 20. Januar 1937 und dem 28. Januar 1941 folgten mehrere Aufenthalte in verschiedenen Anstalten, immer wieder unterbrochen durch Zeiten, in denen er bei seinen Eltern lebte. Am 28. Januar 1941 wurde Manfred Moses Goldschmidt in die Israelitische Heil- und Pflegeanstalt – Jacoby’sche Anstalt – nach Bendorf-Sayn bei Koblenz verlegt. Diese Anstalt hatte das Reichsinnenministerium zur Sammelanstalt für jüdische Psychiatrie-Patient*innen aus dem Deutschen Reich erklärt. 

Manfred Moses Goldschmidt wurde am 30. April 1942 von Bendorf-Sayn mit 95 Patient*innen und fünf Menschen vom Personal der Anstalt ins Ghetto Krasniczyn deportiert. Wie sein Leidensweg weiter verlief, ist nicht bekannt. Vermutlich wurde er noch 1942 weiter nach Sobibor deportiert und dort ermordet.




Text: HdE

Redaktionelle Bearbeitung: HdE



Literaturhinweise:

Benz, Wolfgang: Theresienstadt. Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung, München 2013.

Berkessel, Hans/ Dold, Cornelia (Hg.): Erinnerungskultur im Wandel. Neue Herausforderungen und Wege des Lernens und Arbeitens in Gedenkstätten (Erinnerungskultur und Demokratie, Bd. 3), Frankfurt am Main 2024.

Blodig, Voitěch: Überleben in Theresienstadt. In: Institut Terezinské iniciativy, URL: <https://www.holocaust.cz/ueberleben-in-theresienstadt/> [aufgerufen am 01.07.2024].

,Heimeinkaufsverträge‘. In: Ghetto Theresienstadt, URL: <https://www.ghetto-theresienstadt.de/pages/h/heimeinkauf.htm> [aufgerufen am 01.07.2024].



Die Stolpersteine wurden am 13. Mai 2024 in der Klarastraße 13 verlegt.

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