Schutzhaft

Schon kurz nach der ‚Machtübernahme‘ nahmen die Nationalsozialisten Oppositionelle in sogenannte ‚Schutzhaft‘. Dabei handelt es sich um einen zynischen Begriff, der andeutet, dass man nicht nur die Gesellschaft vor den Andersdenkenden schützen müsse, sondern auch die Inhaftierten vor der staatstreuen ‚deutschen Volksgemeinschaft‘ .

Der Begriff der ‚Schutzhaft‘ kann am Beispiel der im Konzentrationslager Osthofen in der Nähe von Worms am Rhein inhaftierten Häftlinge erläutert werden. Das KZ Osthofen bestand von 1933 bis 1934. Der damalige Wormser Polizeipräsident Heinrich Maria Jost erklärte die Einrichtung des Lagers Osthofen wie folgt: „Worms ist politisch der heißeste Boden in Hessen gewesen, und auch noch gefährlicher wie sonst ein Platz in ganz Deutschland. Das hat mich als Polizeichef dazu veranlaßt, auch hier in Worms Maßnahmen zu treffen, die weitergehend sind, als sonst in Hessen. Um den Kommunismus wirksam bekämpfen zu können, mußte ich nicht nur in Worms, sondern auch in der ganzen Umgebung die Personen in Schutzhaft nehmen, die Gefahr bedeutet hätten nach der Machtübernahme. Da die normalen Haftzellen nicht ausreichen, habe ich in Osthofen das Konzentrationslager errichtet.“ (Wormser Zeitung, 13.04.1933, zitiert nach: Arenz-Morch, 2019, S. 11). Es sei jedoch keine Haftanstalt, sondern vielmehr eine „Art Erziehungs- und Besserungsanstalt“ (Arenz Morch, 2019, S. 11). Man könne insofern hier nicht von einer Justizbehörde sprechen, sondern vielmehr von einer Polizeibehörde, die Sicherheitsmaßnahmen ergreife. Personen im öffentlichen Leben, die eine Gefahr werden könnten, laut Jost beispielsweise Kommunist*innen, und von denen zu erwarten sei, dass sie auch im Folgenden noch zu Gewalttätigkeiten neigen könnten, wurden nun unter Berufung auf die ‚Schutzhaft‘ inhaftiert. Im Folgenden das Beispiel des Kreisamtes Dieburg für Gründe einer Verhaftung unter dem Vorwand der ‚Schutzhaft‘:

„Eine Person kann in Schutzhaft genommen werden, wenn 1. Gründe der öffentlichen Sicherheit, 2. Gründe des Schutzes der persönlichen Sicherheit die Inhaftierung zweckmäßig erscheinen lassen. Gründe der öffentlichen Sicherheit sind dann gegeben, wenn im öffentlichen Interesse eine Freiheitsbeschränkung nötig wird, um den Betroffenen von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Ist eine strafbare Handlung im Sinne eines Vergehens oder ein Verbrechen bereits begangen, so muss vorläufige Festnahme und Vorführung an den zuständigen Richter nach allgemeinen Vorschriften erfolgen, nicht aber Schutzhaft ausgesprochen werden. Die Schutzhaft wird vom Kreisamt verhängt.“ (Hessisches Kreisamt Dieburg, 14.03.1933, zitiert nach Arenz-Morch, 2019, S. 17f).


Literaturhinweise:

Arenz-Morch, Angelika: Das KZ Osthofen 1933/34 – Ein Überblick, in: Arenz-Morch, Angelika & Heinz, Stefan (Hrsg.): Gewerkschafter im Konzentrationslager Osthofen 1933/34. Biografisches Handbuch, Metropol, Berlin 2019 (Gewerkschafter im Nationalsozialismus. Verfolgung – Widerstand – Emigration, Bd. 8), S. 11–52.

Krause-Schmitt, Ursula; Arenz-Morch, Angelika und Berkessel, Hans: Von „Schutzhaft“ und „Umerziehung“ zur Vernichtung: Zu einigen Aspekten des nationalsozialistischen Lagersystems in Rheinland-Pfalz, in: Meyer, Hans-Georg & Berkessel, Hans (Hrsg.), Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, Mainz 2000 („Für die Außenwelt seid ihr tot!“, Bd. 2), S. 17–31.


Zurück zur Übersicht

« Back to Glossary Index

Kommentare sind geschlossen.