Familie Zitronenbaum


Osiasz „Oskar“ Zitronenbaum

  • Geboren am 24. Juni 1888 in Jaslo
  • 1938 in der ‚Polenaktion‘ nach Polen abgeschoben
  • im besetzten Polen ermordet

Malka Amalie Zitronenbaum, geb. Krischer

  • Geboren am 31. Oktober 1893 in Jaslo
  • 1938 in der ‚Polenaktion‘ nach Polen abgeschoben
  • im besetzten Polen ermordet

Lea Zitronenbaum

  • Geboren am 29. November 1920 in Mainz
  • 1938 in der ‚Polenaktion‘ nach Polen abgeschoben
  • im besetzten Polen ermordet


‚Polenaktion‘ 1938

Die sogenannte ‚Polenaktion‘ markierte die erste größere Deportation von etwa 17.000 Jüdinnen*Juden im Deutschen Reich, die die polnische Staatsbürgerschaft besaßen. Die Vorbereitungen für eine Zwangsausweisung begannen bereits 1934 mit dem Erlass des „Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“. Diese Verordnung ermöglichte es dem NS-Regime, deutsche Staatsbürgerschaften, die zwischen dem 9. November 1918 und dem 30. Januar 1933 verliehen worden waren, zu widerrufen.

Die tatsächliche Zwangsausweisung im Oktober 1938 wurde maßgeblich durch die Annexion Österreichs am 12./13. März 1938 vorangetrieben. Polen beobachtete die sich zunehmend verschlechternde Situation für Jüdinnen*Juden in Deutschland und fürchtete eine mögliche massenhafte Flucht der Verfolgten aus dem Deutschen Reich nach Polen. Als Reaktion darauf erließ die polnische Regierung am 9. Oktober 1938 eine Verordnung, gemäß der im Ausland ausgestellte Pässe nur mit einer Bestätigung des entsprechenden polnischen Konsulats zur Einreise nach Polen berechtigten. Da politischer Druck auf Polen keine Veränderung bewirkte, organisierte das NS-Regime am 28. und 29. Oktober eine Verhaftungsaktion im gesamten Reich. Die Verhaftungen erfolgten überraschend und ließen den Betroffenen kaum Zeit, wenn überhaupt, mehr als das Nötigste an Hab und Gut mitzunehmen. In Sonderzügen wurden sie in Richtung der polnischen Grenze deportiert, wo sie zu Fuß entlang der Eisenbahnschienen und Landstraßen die Grenze nach Polen überqueren mussten.

Diese Deportation hatte weitreichende Konsequenzen, da auch die Familie von Herschel Grynszpan bei der „Polenaktion“ von Hannover an die polnische Grenze verschleppt wurde. Grynszpan, der zu dieser Zeit in Paris lebte, erfuhr von der Deportation und schoss am 7. November in Paris den deutschen Diplomaten Ernst von Rath nieder. Dieses Attentat wurde im Auftrag des NS-Regimes ausführlich in sämtlichen deutschen Medien behandelt, wobei besonders Grynzspans jüdische Herkunft betont werden sollte. Bereits am folgenden Tag kam es zu vereinzelten Ausschreitungen gegen Jüdinnen*Juden und diese Eskalation endete am 9. November in dem reichsweiten Novemberpogrom. Die Auswirkungen der ‚Polenaktion‘ erstreckten sich auch auf die Familie Zitronenbaum, deren Staatsbürgerschaft entzogen wurde, obwohl Oskar Zitronenbaum bereits 1912 aus dem damals noch österreichischen Jaslo ins Deutsche Reich ausgewandert war und die Kinder Lea und Leo in Mainz geboren wurden.


Oskar und Amalie Zitronenbaum, geb. Krischer, stammten beide aus dem damals österreichischen, später wieder polnischen Jaslo. Oskar Zitronenbaum zog 1912 nach Mainz, Amalie Zitronenbaum kam nach ihrer Hochzeit 1919 in die Stadt. In der Augustinerstraße 51 betrieben sie ein Wäschegeschäft. Am 29. November 1920 kam ihre Tochter Lea zur Welt, ihr Sohn Leo folgte 1925. Nach der Grundschule war Lea Zitronenbaum von 1930 bis 1933 Schülerin der Höheren Mädchenschule in Mainz. Die rassistische Politik des NS-Regimes engte den Lebenskreis bereits ab 1933 für jüdische Familien immer mehr ein, so auch von der Familie Zitronenbaum. Lea absolvierte daher ihre letzten Schuljahre auf der jüdischen Bondi-Schule.

Wie tausende andere Einwanderer, die, weil sie jüdisch waren, ab 1934 wieder als polnische Staatsbürger galten, wurde auch die Familie Zitronenbaum im Oktober 1938 in der sogenannten ‚Polenaktion‘ nach Polen abgeschoben. Das Geschäft der Familie wurde im Novemberpogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 demoliert. Amalie Zitronenbaum kehrte nochmals kurz nach Mainz zurück. Den Sohn Leo konnte sie retten, indem sie ihn mit auf einen der Kindertransporte nach England setzte. Lea Zitronenbaum wurde hingegen mit ihren Eltern Opfer des nationalsozialistischen Mordprogramms im von den Nationalsozialisten besetzten Polen.


Text: Reinhard Frenzel

Redaktionelle Bearbeitung: HdE

Fotos: HdE



Quellen- und Literaturhinweise:

Frauenbüro der Landeshauptstadt Mainz (Hg.): Frauenleben in Magenza, Mainz 2015.

Frenzel, Reinhar: Auskünfte aus Unterlagen der Höheren Mädchenschule Mainz.

Heim, Susanne: Deutsches Reich 1938–August 1939 (Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd. 2), München 2009 , S.51ff.

Röttjer, Julia: Raus aus Deutschland! Die Ausweisung von Jüdinnen und Juden 1938 im Südwesten Deutschlands, In: Deutsches Polen Institut. Bearbeitungsstand: 28.10.2022, URL: <https://www.deutsches-polen-institut.de/blogpodcast/blog/raus-aus-deutschland-die-ausweisung-von-juedinnen-und-juden-1938-im-suedwesten-deutschlands/> [aufgerufen am am 12.01.2024].

„,Polenaktion‘ (1938)“, In: Jüdisches Museum Berlin. URL: <https://www.jmberlin.de/thema-polenaktion-1938> [aufgerufen am 12.01.2024].



Die Stolpersteine wurden am 3. Februar 2015 in der Hinteren Bleiche 32 verlegt.

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