Rieka Lämmel, geb. Kirchheimer
- geboren am 2. April 1893 in Nieheim
- ermordet am 13. August 1943 in Auschwitz
Hella Lämmel
- geboren am 7. August 1916 in Mainz
- deportiert 1943 nach Auschwitz
Gerd Lämmel
- geboren am 5. Juli 1920 in Mainz
- ermordet am 28. September 1943 in Auschwitz
Rieke Kirchheimer, 1893 im westfälischen Nieheim geboren, war verheiratet mit dem evangelischen Ingenieur Hermann Wilhelm Max Lämmel, 1884 im Sächsischen Waldheim-Massanei geboren. Aus der Ehe der beiden gingen die Kinder Hella, 1916 geboren, und Gerd, 1920 geboren, hervor. Die Familie war in der Mainzer Rheinallee 12 ansässig.
Hermann Lämmel verstarb 1928 und Rieka erzog die beiden Kinder – wohl aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung mit ihrem Mann – weiter in ihrem jüdischen Glauben. Nach Einführung der rassistischen Nürnberger Gesetze 1935 blieb dies nicht ohne Folgen: Hella und ihr Bruder wurden nun als sogenannte ,Geltungsjuden‘ eingestuft, Riekas Ehe im Nachhinein lediglich als sogenannte ,Mischehe‘. Wären die Geschwister nichtjüdisch erzogen worden, hätten sie als ,Halbjuden‘ gegolten. Dies hätte ihnen einen gewissen prekären Schutz vor Verfolgung eingebracht; ebenso der verwitweten Mutter, deren Ehe als sogenannte ,Privilegierte Mischehe‘ gegolten hätte. Daraus folgte im Sinne der nazionalsozialistischen ‚Rassenlehre‘, dass Hella und Gerd, ebenso wie die Mutter, ab 1941 den stigmatisierenden ,Judenstern‘ in der Öffentlichkeit sichtbar zu tragen hatten. Verstöße wurden geahndet, brachten Gefahr. Überliefert ist ein Vermerk der Mainzer Gestapo: „Hella Lämmel zu verwarnen (verdeckter Stern)“.
Als Alleinerziehende hatte Rieka dafür gesorgt, dass Gerd zum Schlosser ausgebildet wurde und Hella – nach Besuch der Höheren Mädchenschule – eine Ausbildung zur Verkäuferin erhielt. Spätestens um 1940 durfte Hella nicht mehr im erlernten Beruf tätig sein, hatte jedoch für Zwangsarbeit zur Verfügung zu stehen. Ihr Bruder Gerd hatte eine Zwangsbeschäftigung beim Mainzer Tiefbauamt.
Irgendwann in den späten 1930er Jahren verlobte Hella sich mit David Mischliburski (1899 in Posen geboren), einem geschiedenen Teppich- und Kunsthändler in Wiesbaden. Für 1939 plante David seine Flucht und womöglich auch Hellas in das damalige Palästina. Doch wegen „eines „Devisenvergehens“ [… wurde er] vom Landgericht Wiesbaden zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt (01.02.1939).“ Nach seiner Entlassung aus einer Frankfurter Haftanstalt bemühte sich Hella um Davids „Freigabe“ durch die Gestapo. Der Versuch misslang jedoch und David Mischliburski wurde am 1. August 1942 in das KZ Mauthausen deportiert, wo er sich zwei Tage später das Leben nahm.
Die Familie Lämmel durchlief zwischen 1940/41 und 1943 nicht weniger als drei Mainzer ‚Judenhäuser‘, darunter das Haus Hafenstraße 3, das Alfred und Emilie Lehmann gehört hatte. Im Frühjahr 1943 wurden Rieka, Hella und Gerd von der Mainzer Gestapo verhaftet und vermutlich nach Auschwitz deportiert. Rieka wurde dort mit 50 Jahren am 13. August 1943 ermordet und ihr Sohn Gerd mit 23 Jahren am 28. September 1943. Für die 26-jährige Hella ist kein Todesdatum überliefert.
Kennkarte Hella Lämmel
Text: Reinhard Frenzel
Redaktionelle Bearbeitung: HdE
Literatur- und Quellenhinweise:
Alemannia Judaica: Die Mischliburski. Eine deutsche Familie aus Franken, URL: https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20423/Klingenberg%20Beitrag%20Die%20Mischliburskis.pdf [Zugriff: 01.10.2024].
Forum Jacob Pins: Opfer der Shoah aus Nieheim, URL: http://www.jacob-pins.de/?article_id=475&clang=0 [Zugriff: 01.10.2024].
Gedenkbuch: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945.
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Bestand 409/4, Nr. 4894.
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Bestand 474/3, Nr. 50.
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Bestand 518, Nr. 4145.
Keim, Anton (Hg.): Tagebuch einer jüdischen Gemeinde 1941/43, Mainz 1968.
Stadtarchiv Mainz: Adressbücher der Stadt Mainz inkl. Firmenverzeichnisse 1911–1938.
Stadtarchiv Mainz: Familienregister Nr. 42878.
Stadtarchiv Mainz: NL Oppenheim 48, 5.
Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg, Bestand 5/1, Nr. 88.
Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg, Bestand 5/1, Nr. 1266.
1.2.4/01020401032/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
Die Stolpersteine wurden am 11. September 2024 in der Kaiserstraße 80 verlegt.
