Diese Seite wird noch bearbeitet. Es handelt sich um eine vorläufige Fassung.
Philipp Hugo Bayerthal
- geboren am 24. Mai 1872 in Sprendlingen
- am 27. September 1942 nach Theresienstadt deportiert
- ermordet am 30. März 1943
Elisabeth „Elsa“ Bayerthal, geb. Weiss
- geboren am 27. Juni 1882 in Wien
- am 27. September 1942 nach Theresienstadt deportiert
- am 18. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert und am 31. Dezember 1944 ermordet
Ernst Ludwig Bayerthal
- geboren am 16. Oktober 1902 in Kaltennordheim
- stirbt am 23. März 1942 nach einem Suizidversuch
Rosa Weiss, geb. Fleischmann
- geboren am 28. Juni 1859
- am 27. September 1942 nach Theresienstadt deportiert
- am 21. Oktober 1942 in Theresienstadt ermordet
Philipp Hugo Bayerthal wurde am 24. Mai 1872 in Sprendlingen im Kreis Bingen als viertes Kind des großherzoglichen Notars Dr. Heinrich Bayerthal und seiner Frau Mathilda, geb. Rothschild, geboren und evangelisch getauft. Am 21. Juni 1905 heiratete er in Frankfurt die Schauspielerin Elisabeth Weiss, die am 27. Juni 1882 in Wien geboren worden war, und ebenfalls der evangelischen Religion angehörte. Für ihren fast dreijährigen Sohn Ernst Ludwig, geboren am 16. Oktober 1902 in Kaltennordheim, beantragt er im gleichen Jahr die Anerkennung der Vaterschaft (6. Dezember 1905).
Elisabeth war das älteste von vier Kindern des Schneidergehilfen Jakob Weiss und seiner Frau Rosa, einer geborenen Fleischmann. Nach ihr wurden ihre Brüder Alfons im Jahr 1887 und Alexander 1889 sowie ihre Schwester Käthe 1891 in Wien geboren. Die Familie wohnte in der Josefstadt im gut bürgerlichen 8. Bezirk. Obwohl Elisabeths Eltern der jüdischen Religion angehörten, ließen sie ihre Kinder evangelisch taufen. Ein Jahr nach Elisabeths Heirat mit Hugo Bayerthal starb ihr Vater Jakob mit 55 Jahren an einem Lymphom. Nach geltendem Recht wurde der damals 48-jährigen Rosa Weiss als Mutter zwar die Vormundschaft für die drei noch im Haus lebenden Kinder übertragen, sie brauchte jedoch noch ihren Vater Wilhelm als weiteren Beistand. Im Mai 1909 zog die Familie in das sogenannte Textilviertel im 1. Bezirk um. Dort besuchte Elisabeth regelmäßig ihre Mutter.
Hugo Bayerthal absolvierte sein Pharmazie-Studium an der Universität in München. Als er seine künftige Frau Elisabeth kennenlernte, wohnte er in Elberfeld, das heute zu Wuppertal gehört. Seit der Heirat lebte die Familie in Frankfurt, zog aber schon ein Jahr später nach Regensburg. Im Jahr 1909 folgte dann der Ortswechsel nach Mainz. Dort arbeitete Hugo Bayerthal als Apotheker und die Familie wohnte in der Rheinstraße 23 im vierten Stock. Als im Jahr 1913 der berufliche Zusatz „Fabrikant“ im Adressbuch auftauchte, erfolgte der Umzug in den zweiten Stock des Hauses, 1915 dann in den ersten Stock. Im Jahr 1916 firmierte Hugo Bayerthal als „Chabeso-Fabrikant“, eine alkoholfreie Limonade, die um die Jahrhundertwende erfunden und seit 1911 von der Boehringer Tochtergesellschaft „Chabeso GmbH Mainz“ in großen Mengen auf den Markt gebracht wurde. 1920, in dem Jahr, in dem Boehringer die Herstellung von Chabeso mit Lizenzverträgen einführte, erweiterte Hugo Bayerthal seine Chabesofabrik um eine Fabrik für alkoholfreie Getränke, Mineralwasser und Kohlesäurehandlung. Seine Firmenadressen befand sich zu dieser Zeit in der Rheinstraße 23 und in der Kötherhofstraße 6. Gleichzeitig kaufte er das Haus in der Taunusstraße 19 und zog mit seiner Familie in den zweiten Stock in eine großzügige 5-Zimmer-Wohnung mit Bad und Mansarde. Sechs Jahre später gab er seine Firmen auf und firmierte
von 1926 an wieder als Apotheker.
Ernst Ludwig, der gemeinsame Sohn von Hugo und Elisabeth Bayerthal, besuchte das Realgymnasium in Mainz und bestand dort 1922 seine Reifeprüfung. Im Anschluss nahm er das Studium der Philosophie in Heidelberg auf. Nach einem Semester wechselte er an die Universität Frankfurt, wo er bis auf das Sommersemester in Wien im Jahr 1924 seine Studienjahre mit den Fächern Germanistik, Philosophie und Musikgeschichte verbrachte. Seine Dissertation über Georg Trakls Lyrik, die er bei der Mainzer Druckerei Lehrlingshaus in Druck gab, schloss er am 25. August 1926 erfolgreich ab. Ernst Ludwig Bayerthal scheint ein privilegiertes, großbürgerliches Leben geführt zu haben. Er lebte bei seinen Eltern, gab als sehr guter Pianist Hauskonzerte zusammen mit dem benachbarten Geiger und Dirigenten Dr. Günther Kehr, dem späteren Leiter des Peter-Cornelius-Konservatoriums, und ging keinem Beruf nach. Als Intellektueller gehörte er zum Freundeskreis der Hesperiker, dessen Mittelpunkt sein Schul- und Studienfreund Carl Mumm bildete. Auch Ernst Kreuder gehörte dazu und widmete sogar 1948 seinen Roman „Die Unauffindbaren“ „Den hesperischen Dichtern, meinen Freunden, Ernst Bayerthal (†), Max Herchenröder, Carl Mumm, Hanns Ulricht, Gustav Waldt.“ Durch seine Homosexualität lebte Ernst Bayerthal bereits mit dem ständigen Risiko strafrechtlicher Verfolgung; seine jüdische Herkunft brachte unter den Nationalsozialisten weitere Zwangsmaßnahmen mit sich. Mit Kriegsbeginn aber änderte sich das Leben Ernst Ludwig Bayerthals nochmals gravierend, denn er musste Zwangsarbeit in einem Werk der „Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG“ in Kelsterbach leisten, wie sich ein damaliger Nachbar erinnerte. Die
Firma produzierte Kunstseide, die u.a. für die Herstellung von Fallschirmen verwendet wurde.
Kurz vor seiner Deportation vergiftete sich Ernst Ludwig mit Veronal, einem starken Schlafmittel, das schon kurz nach seiner Einführung 1902 als „Selbstmörderwaffe“ galt, und seit 1908 nur noch rezeptpflichtig in der Apotheke zu erwerben war. Er starb am 23. März 1942 im Krankenhaus in Mainz, wurde aber erst am 8. September, also ein halbes Jahr später, auf dem Neuen Jüdischen Friedhof beerdigt. Nachdem der Pfarrer der Christuskirche seine Beerdigung abgelehnt hatte, war er offenbar eingeäschert, aber nicht gleich bestattet worden.
Obwohl die Familie Bayerthal evangelisch getauft war und zur Christusgemeinde gehörte, galt sie für die Nationalsozialisten als jüdisch und war von den massiven Einschränkungen und Repressalien gegen Jüdinnen*Juden betroffen. 1938 musste Hugo Bayerthal zunächst alle Etagen seines Hauses, vom Erdgeschoss bis zum dritten Stock, zur Verfügung stellen. 1940 wurde sein Eigentum ‚arisiert‘, d.h. er musste sein Wohnhaus weit unter Wert an einen nicht-jüdischen Besitzer verkaufen. In diesem Jahr zog auch Elisabeths Mutter Rosa zu ihnen. Später wurde die von der Familie Bayerthal bewohnte zweite Etage zu einem sogenannten ‚Judenhaus‘ umgewandelt. Vier weitere Personen mussten sich zwei Zimmer teilen, darunter Hugo Bayerthals verwitwete Schwester Paula Knublauch. Paula lebte vorher in einer sogenannten ‚Mischehe‘ und war dadurch vor Verfolgungen der Nationalsozialisten zunächst geschützt. Nach dem Tod
ihres 20 Jahre älteren Mannes Oskar August fiel dieser Schutz jedoch weg.

(© Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland)

(© Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland)
Nach dem Selbstmord Ernst Ludwigs im März 1942 wurde die Familie auseinandergerissen und in unterschiedliche ‚Judenhäuser‘ verlegt. Hugo und Elisabeth Bayerthal, inzwischen 70 und 60 Jahre alt, mussten in das ‚Judenhaus‘ in der Lotharstraße 3 ziehen, Rosa Weiss wurde mit 83 Jahren im ‚Judenhaus‘ in der Adam-Karrillonstraße 54 untergebracht und Paula Knublauch kam mit 73 Jahren in das Jüdische Krankenhaus in der Gonsenheimer Straße 11. Von dort wurden sie am 27. September über Darmstadt in das Ghettho nach Theresienstadt deportiert. Hier sarb Rosa Weiss knapp einen Monat später am 21. Oktober 1942.


Hugo Bayerthal wurde am 30. März 1943 ermordet, seine Schwester Paula war bereits einen Monat vorher, am 27. Februar 1943, unter den unmenschlichen Bedingungen gestorben. Elisabeth wurde von Theresienstadt aus am 18. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert und dort am 31. Dezember des gleichen Jahres ermordet. Auch Hugo und Elisabeths Brüder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Hugo Bayerthals ältester Bruder Alexander sarb am 21. Oktober 1943 im Gestapo-Gefängnis in Frankfurt am Main. Elisabeths Brüder und deren Familien kamen in Konzentrationslagern zu Tode. Die einzige Überlebende war Elisabeths Schwester Käthe, die sich nach New York retten konnte und sich nach dem Krieg auf die Suche nach ihrer Mutter machte.
Text: Christine Schwarz
Redaktionelle Bearbeitung: HdE
Die Stolpersteine für die Familie Bayerthal wurden am 11. September 2024 in der Taunusstraße 19 verlegt.