Karl und Siegfried Ladenburg


Karl Moritz Ladenburg

  • geboren am 10. August 1895 in Mainz
  • ermordet am 12. Oktober 1942 im KZ Buchenwald

Siegfried Ladenburg

  • geboren am 5. März 1899 in Mainz
  • ermordet am 14. August im KZ Buchenwald

Devisenvergehen

Unter einem Devisenvergehen versteht man „schuldhafte Handlungen und Fremdwährungsverstöße gegen Devisenvorschriften eines Landes“. Ein solcher Verstoß kann mit hohen Strafen geahndet werden. Der Begriff hat seinen Ursprung noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde dann aber als Repressionsinstrument missbraucht und zweckentfremdet. Das NS-Regime nutzte die Möglichkeit der Anklage des Devisenvergehens, um gegen Jüdinnen*Juden, Kommunist*innen und Oppositionelle vorzugehen. Dies lässt sich heute eindrucksvoll beispielsweise durch die Quellenedition „Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39“ nachvollziehen. Hier dokumentieren die Akten zahlreiche Untersuchungen von Unternehmen unter dem Vorwurf des Tatbestandes des Devisenvergehens von 1937 bis 1939.


Karl Moritz Ladenburg wurde am 10. August 1895, sein jüngerer Bruder Siegfried am 5. März 1899 in Mainz geboren. Sie waren die einzigen Kinder von Zacharias Ladenburg II. und seiner Frau Flora, geborene Deutsch. Nach dem frühen Tod der Mutter 1902 mit nur 37 Jahren, als die Kinder 7 und 3 Jahre alt gewesen sind, musste der Vater allein für seine Söhne und deren Ausbildung sorgen. Zacharias Ladenburg II. war Inhaber eines Maklergeschäfts für Finanzierung, Immobilien und Hypotheken, das sein Vater Moritz Ladenburg ihm hinterlassen hatte. Die Familie wohnte seit 1894 in der Kaiserstraße 11, die Geschäftsräume lagen in der Großen Bleiche, der Lotharstraße und lange Zeit in der Kaiserstraße 18, also auf der anderen Straßenseite. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde die Firma dann zu ihrem endgültigen Standort in die Kaiserstraße 11 verlegt. Dieses Teilstück der Kaiserstraße (Nr. 1-15 und 2-20) wurde nach dem Machtantritt der Nazis in „Horst-Wessel-Platz“ umbenannt.

Die Brüder ergriffen zunächst unterschiedliche Berufe: Karl Ladenburg studierte Rechtswissenschaften und promovierte zum Dr. jur., während Siegfried Kaufmann den Beruf seines Vaters ergriff. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Karl als Unteroffizier mit der Hessischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde und Siegfried noch sehr jung als Gefreiter kämpfte, stiegen die Brüder Ende der 1920er Jahre beide in das väterliche Geschäft ein, welches Moritz Ladenburg Sohn hieß, und übernahmen es nach dem Tod ihres Vaters 1933. Die Söhne blieben unverheiratet.

Karl Ladenburg erwarb sich in den 1920er Jahren zudem große Verdienste um die Mainzer jüdische Kulturgeschichte. Er gehörte zu den Initiatoren des „Vereins zur Pflege jüdischer Altertümer“, der im Oktober 1926 in der Hindenburgstraße 44 seinen Sitz hatte. Dort stand die 1912 eingeweihte liberale Hauptsynagoge, in dessen Anbau das Zentrum der Israelitischen Religionsgemeinde das Museum jüdischer Altertümer eröffnete.


Blick in das Museum Jüdischer Altertümer Mainz, um 1927 (© Stadtarchiv Mainz)

Karl war für die Gestaltung dieses Museums verantwortlich gewesen. Im Landesmuseum Rheinland-Pfalz in Mainz kann man heute noch Gegenstände betrachten, die aus diesem Museum stammen.

Karl Ladenburg engagierte sich darüber hinaus deutschlandweit beim Aufbau der jüdischen Denkmalpflege. Der Mainzer Verein hatte schon 1925 an der Ausstattung der jüdischen Abteilung der Kölner Jahrtausend-Ausstellung zur Geschichte rheinisch-deutscher Kultur beteiligt und dazu wertvolle Exponate beigesteuert. Noch 1937/38 arbeitete Karl Ladenburg intensiv an der Genealogieforschung zu Mainzer jüdischen Familien. Die Brüder Ladenburg stammten selbst aus einer Familie, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Mainz beheimatet war.

Mit Beginn des NS-Regimes dürfen die Geschäfte der Familie Ladenburg immer schwieriger geworden sein und kamen mit der Pogromnacht 1938 zum Erliegen. Infolge des Pogroms wurde Karl Ladenburg vom 11. November bis 17. Dezember 1938 im KZ Buchenwald inhaftiert, seinem Bruder blieb das erspart. Sie standen jedoch fortan unter Beobachtung und wurden vom 11. August bis 6. November 1939 in der Mainzer Haftanstalt gefangen gehalten wegen angeblicher „Devisenvergehen“. Devisenvergehen sind „schuldhafte Handlungen und Fremdwährungsverstöße gegen Devisenvorschriften eines Landes“. Ein solcher Verstoß kann mit hohen Strafen geahndet werden. Dieser Begriff hat seinen Ursprung noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialist*innen, wurde dann aber als Repressionsinstrument missbraucht und zweckentfremdet.

Eine Verurteilung zum Devisenvergehen erfolgte für Karl und Siegfried Ladenburg jedoch nicht. Trotzdem konnten die Brüder, aufgrund der über sie verhängten Sicherungsanordnung nicht mehr über ihr Geld verfügen. Sie erhielten nur kleine Beträge für monatliche Ausgaben und mussten Anträge auf Auszahlung von Fahrtkosten stellen, um in verschiedenen Konsulaten eine Auswanderung nach Südamerika oder in die USA vorzubereiten. Im April 1941 verkauften sie ihr gemeinsames Haus, um Mittel für die Auswanderung zu haben und wohnten nur noch zur Miete in ihrem einst eigenen Haus. Doch den Verkaufserlös behielt der NS-Staat und die Brüder mussten wiederum Anträge stellen, um vom eigenen Geld Miete zahlen zu können. Die Auswanderungspläne scheiterten.

Anfang März 1942 wurden Karl und Siegfried Ladenburg zwangsweise in die Adam-Karrillon-Straße 58 eingewiesen, eines der Mainzer „Judenhäuser“. Sie teilten sich ein Zimmer und nutzten die Küche mit acht weiteren Bewohnern der Etage. Wahrscheinlich erfuhren sei bald danach, dass sie auf der Transportliste für die Deportation nach Piaski am 25. März 1942 standen und flohen aus Mainz. Doch schon am 21. März wurden sie von der Kölner Polizei verhaftet, seitens der Gestapo Darmstadt unter „Schutzhaft“ gestellt und in das Frankfurter Polizeigefängnis eingeliefert. Im Mai, also während der Frankfurter Haftzeit, räumte die Gestapo das Zimmer der Brüder Ladenburg in der Adam-Karrillon-Straße 58, ein untrügliches Zeichen, dass ihre Rückkehr nach Mainz seitens des NS-Regimes nicht vorgesehen war.

Am 24. Juli 1942 verbrachte man sie in das KZ Buchenwald. Dort kamen beide ums Leben: Siegfried Ladenburg am 14. August 1942 angeblich als „auf der Flucht erschossen“, Karl Ladenburg am 12. Oktober 1942 angeblich wegen „Grippe“.


Verfasserin: Renate Knigge-Tesche

Redaktionelle Bearbeitung: HdE



Quellen- und Literaturhinweise:

Berkemann, Jörg/ Lorenz, Ina (2016): Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39. Göttingen 2016 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden. Für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Hrsg. v. Brämer, Andres/Rürup, Miriam, Bd. VI).

Brüchert, Hedwig (2018): „Magenza- die Geschichte des jüdischen Mainz“ in: Regionalgeschichte.net 2022.

Devisenvergehen, In: Beliehen.de, URL<https://beliehen.de/index.php?option=com_seoglossary&view=glossary&catid=1&id=1055&Itemid=107> [aufgerufen am 28.11.2019].

Knigge-Tesche, Renate (2013): Familie Ladenburg, in: Knigge-Tesche, Renate, Brüchert Hedwig (Hrsg.): Der Neue Jüdische Friedhof in Mainz. Biographische Skizzen zu Familien und Personen, die hier ihre Ruhestätte haben (Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter). Mainz 2013. S. 160–166 und weitere dort genannte Quellen.



Die Stolpersteine wurden am 8. November 2017 in der Kaiserstraße 11 verlegt.

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