Familie May


Ernst Josef May

Alfred May

  • Geboren am 24. April 1885 in Mainz
  • Deportiert 1942 und ermordet im besetzten Polen

Sophie May, geb. Kahn

  • Geboren am 20. Juli 1893 in Mainz
  • Deportiert 1942 und ermordet im besetzten Polen

Ernst Josef May

  • Geboren am 10. August 1925 in Mainz
  • Deportiert 1942 und ermordet im besetzten Polen

‚Sühneleistung’

Die sogenannte ‚Sühneleistung’ war eine von drei am 12. November 1938 erlassenen antisemitischen Verordnungen. Unmittelbar nach dem Novemberpogrom, welches in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 durch einen enorm gesteigerten nationalsozialistischen Hass sowie antisemitische Aggressionen und Zerstörungswut geprägt war, wurden auch auf staatlicher Seite weitere diskriminierende Maßnahmen gegen Jüdinnen*Juden erlassen. Die ‚Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit’ legte in §1 fest, dass alle deutschen jüdischen Staatsbürger*innen eine Summe von insgesamt 1 Milliarde Reichsmark an das Deutsche Reich zahlen mussten. Diese als ‚Kontribution’ bezeichnete Zahlung wurde wie folgt begründet: „Die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk und Reich, die auch vor feigen Mordtaten nicht zurückschreckt, erfordert entschiedene Abwehr und harte Sühne.“ Die genauen Maßnahmen zur tatsächlichen Durchführung der jüdischen Vermögensabgabe oblagen dem Reichsminister der Finanzen, was in §2 der Verordnung festgehalten wurde. Der Generalfeldmarschall Göring berief sich in seiner Position als ‚Beauftragter für den Vierjahresplan’ auf die ‚Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplansְ’ die am 18. Oktober 1936 erlassen worden war.


Alfred May wurde am 24. April 1885 in Mainz geboren. Zu Beginn der 1920er Jahre heiratete er Sophie Kahn, die 1893 in Mainz zur Welt gekommen war. Am 10. August 1925 kam der einzige Sohn des Ehepaares May zur Welt: Ernst Josef May. Die Familie May lebte seit 1928 in einem eigenen Haus in der Jahnstraße in Gonsenheim. Der Vater, Alfred, war als Prokurist in der Schuhfabrik Weis u. Co. in Gonsenheim tätig, allerdings nur bis etwa 1929. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise musste die Schuhfabrik Weis Ende der 1920er schließen. In welcher sich anschließenden Anstellung Alfred Kahn den Unterhalt für seine Familie verdiente, ist nicht bekannt.

Kennkarte von Ernst Josef May

Ernst Josef besuchte die Volksschule in Gonsenheim, bis er aufgrund der ‚Machtübernahme’ der Nationalsozialisten auf die jüdische Bezirksschule in Mainz wechseln musste. Jüdischen Kindern wurde es fortan nahezu unmöglich gemacht, staatlich geführte weiterführende Schulen zu besuchen. Im Jahr 1939 verkaufte die Familie May elf Jahre nach Erwerb das Familienhaus. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, es kommen drei mögliche Beweggründe in Frage. Entweder könnte die Familie May das Haus verkauft haben, um mit den finanziellen Mitteln des Verkaufs eine Auswanderung finanzieren zu können, oder sie wurde durch die Nationalsozialisten und ein am 3. Dezember 1938 verabschiedetes Gesetz, das jüdische Besitzer*innen dazu zwang, den Besitz zu veräußern, zum Verkauf des Hauses gezwungen. Eine dritte Möglichkeit könnte die ‚Sühneleistung’ gewesen sein, die Jüdinnen*Juden nach der Novemberpogromnacht 1938 hatten zahlen müssen. Trotz des ungeklärten Grundes, der die Familie May dazu veranlasste das eigene Haus zu verkaufen, ist eine Tatsache aber eindeutig geklärt: die Partei NSDAP entschied darüber, wer als Käufer*in das Haus der Mays kaufen durfte. So war es einem befreundeten Bäcker der Familie, der diese aufgrund des bereits erschwerten Einkaufs mit Lebensmitteln versorgte, nicht gestattet das Haus zu erwerben, da die NSDAP ihn nicht als Käufer akzeptierte. Am 25. April 1939 wurde das Haus für 16.350 Reichsmark an einen von der Partei akzeptierten Käufer verkauft, wobei der Verkaufspreis sehr gering ausgefallen sein dürfte.

Wo die Familie May nach Verkauf des Hauses lebte, ist nicht bekannt. Fest steht allerdings, dass sie in Gonsenheim blieb, da Zeitzeug*innen berichteten, ihr noch im Winter des Jahres 1941 in Gonsenheim begegnet zu sein. Allerdings blieb auch die Familie nicht vor der Wohnsitzverlegung in eines der ‚Judenhäuser’ verschont. Alle drei Familienmitglieder galten als ‚volljüdisch’, was einen Aufenthalt in dieser Einrichtung laut den Nationalsozialisten rechtfertigte. Als letzte Anschrift wurde für das Ehepaar May, Alfred und Sophie, sowie für Sohn Ernst Josef das ‚Judenhaus’ in der Adam-Karrillon-Straße 13 eingetragen.

Deportationsliste vom 30. September 1942

Am 30. September 1942 wurde die gesamte Familie aus Mainz gen Osten deportiert und es kam seitdem kein Lebenszeichen mehr von ihr. Es wird davon ausgegangen, dass Alfred, Sophie und Ernst Josef wohl direkt nach ihrer Ankunft im Vernichtungslager Treblinka im besetzten Polen ermordet wurden. Das Amtsgericht Mainz erklärte die Familie May am 18. Juli 1948 in der Nachkriegszeit für tot, wobei für den genauen Todestag der Tag der Deportation eingetragen wurde: der 30. September 1942.


Foto: HdE


Literaturhinweise:

Berger, Sara: Jüdischer Widerstand in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“. Bedingungen, Formen und Relevanz, in: Schoeps, Julius H./ Bingen, Dieter/ Botsch, Gideon (Hrsg.): Jüdischer Widerstand in Europa (1933-1945). Formen und Facetten, Berlin 2016 (Europäisch-jüdische Studien Beiträge, Bd. 27), S. 70-86.

Mędykowski, Witold Wojciech: Macht Arbeit Frei?: German Economic Policy and Forced Labor of Jews in the General Government, 1939-1943, Boston 2018.

NS-Archiv. Dokumente zum Nationalsozialismus: Verordnung über eine Sühneleistung der deutschen Juden nach den Novemberpogromen, URL: https://www.ns-archiv.de/system/gesetze/1938/november/novemberpogrome-suehneleistung.php [Zugriff: 05.11.21].

Rummel, Walter/ Rath, Jochen: „Dem Reich verfallen“ – „den Berechtigten zurückerstatten“. Enteignung und Rückerstattung jüdischen Vermögens im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz 1938–1953, Koblenz 2001 (=Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 96), S. 56–76.

Sprenger, Kai-Michael (Hrsg.): Gonsenheimer Erinnerungen. Jüdische Nachbarinnen und Nachbarn zwischen Integration und Ausgrenzung. Katalog zur Ausstellung, Mainz 2018.




Foto: HdE

Die Stolpersteine wurden am 25. Oktober 2018 in der Jahnstraße 21 verlegt.

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