Max London
- Geboren am 16. Mai 1885 in Twistringen (Niedersachsen)
- Ermordet am 11. Februar 1944 in Theresienstadt
Ruth London
- Geboren am 24. Juni 1921 in Mainz
- Ermordet 1942 in Majdanek
Selma London, geb. Cahn
- Geboren am 14. Februar 1888 in Sobernheim
- Ermordet am 11. Dezember 1942 in Theresienstadt
Walter London
- Geboren am 20. Juli 1924 in Mainz
- Ermordet am 17. Juni 1942 in Majdanek
Das jüdische Schulwesen in der NS-Zeit und die Jüdische Bezirksschule Mainz
Mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 begannen die drastischen Einschränkungen für jüdische Schülerinnen. Nach diesem Gesetz mussten Schulen bei der Neuaufnahme von Schülerinnen darauf achten, dass die Anzahl an ‚Nichtariern‘ die Zahl der ‚arischen‘ Schülerinnen nicht übersteigen durfte. Lediglich 1,5% der Schülerinnen und Studentinnen durften ‚nichtarisch‘ sein. Doch das eigentliche Ziel der nationalsozialistischen Schulpolitik war die Entfernung jüdischer Schülerinnen aus den öffentlichen Schulen. Dazu erging am 10. September 1935, kurz vor den ‚Nürnberger Gesetzen‘, ein Runderlass zur Errichtung gesonderter jüdischer Schulen. Nach den Novemberpogromen 1938 verschärfte sich die nationalsozialistische Schulpolitik und der Ausschluss sogenannter ‚Nichtarier‘ aus dem öffentlichen Schulwesen wurde weiter forciert. Durch den Ministerialerlass vom 15. November 1938 schlossen die Nationalsozialisten dann sämtliche jüdische Schüler*innen von allgemeinen Volksschulen und höheren Schulen aus. Dies stellte das jüdische Schulwesen vor erhebliche Schwierigkeiten. Gerade die in kleineren Gemeinden lebenden Kinder hatten so zunächst keinen Zugang mehr zu Bildung. So musste die
Reichsvereinigung deutlich mehr Lehrerinnen einstellen und zum Teil sogar einklassige Volksschulbetriebe aufnehmen. Nachdem die Jüdische Bezirksschule Mainz am 24. April 1934 mit 90 Schülerinnen ihren Lehrbetrieb aufgenommen hatte, stieg die Zahl der Schülerinnen im nächsten Jahr zunächst an, sodass weitere Um- und Ausbauten des Gebäudes neben der Synagoge vorgenommen wurden. Die zunehmende Verfolgung und die damit einhergehende Zunahme an Auswanderungen jüdischer Familien aus der Region sorgte jedoch ab 1936 für stetige Probleme bei der Finanzierung des Schulbetriebs. Auch die Lehrpläne wurden der veränderten Situation angepasst und beispielsweise Neu-Hebräisch zum Pflichtfach erkoren, um die Schülerinnen auf eine Emigration nach Palästina vorzubereiten.
Die Leitung der Schule übernahm zunächst der Rabbiner Dr. Sali Levi, gab diese aber aufgrund weiterer beruflicher Belastungen 1936 an Dr. Eugen Mannheimer ab. Mannheimer hatte die Rolle des Schulleiters bis zum 10. November 1938 inne, als er, geschockt von den Ereignissen der Pogromnacht, gemeinsam mit seiner Frau Selbstmord beging. Daraufhin übernahm Dr. Friedrich Sandels die Leitung, bis er diese vor seiner Emigration in die USA im September 1941 an Else Blum abgab. Else Blum war bis zur Auflösung der Schule im Juni 1942 als letzte Schulleiterin der Jüdischen Bezirksschule in Mainz tätig.
Ruth London wurde am 24. Juni 1921 in Mainz geboren. Sie wohnte gemeinsam mit ihren Eltern bis 1930 in der Wallaustraße 12 in Mainz. Ihr Vater, Max London (geboren am 16. Mai 1885 in Twistringen) war von 1912 als Religionslehrer und Kantor an der Neuen Synagoge in Mainz tätig und von 1934 bis 1936 unterrichtete er in der Jüdischen Bezirksschule Mainz. Im 1. Weltkrieg wurde er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Ruths Mutter, Selma London geborene Cahn (geboren am 14. Februar 1888 in Sobernheim), hatte zwei Geschwister und wuchs gemeinsam mit ihnen bei ihren Eltern, Leopold und Julia Cahn geborene Singer, auf. Schon drei Jahre nach Ruths Geburt kam auch ihr Bruder Walter London am 20. Juli 1924 in Mainz zur Welt. Danach zog die Familie in die Josefsstraße 71 in Mainz.
Nach vierjährigem Besuch einer Mainzer Grundschule ging Ruth von 1931 bis 1934 auf die Höhere Mädchenschule (heute: Frauenlob-Gymnasium). Ihr Bruder besuchte die Leibnizschule. Ab 1939/40 fand eine drastische Veränderung im Leben der Familie London statt. Sie mussten zwangsweise in das ‚Judenhaus’ am Hindenburgplatz 3 umziehen. Dort hatten sie zwei Zimmer und eine Küche zur Verfügung, die sie mit der Familie Strauss teilen mussten.
Am 25. März 1942 wurde Ruth mit ihrem Bruder Walter und mit 1.000 weiteren Jüdinnen*Juden nach Piaski deportiert. Das junge Leben von Ruth wurde ausgelöscht. Ihr Bruder wurde am 17. Juni 1942 in Majdanek, Polen, ermordet. Ihre Eltern wurden sechs Monate später am 27. September nach Theresienstadt deportiert. Ruths Mutter Selma ist noch in demselben Jahr am 11. Dezember an den Folgen unmenschlicher Behandlung verstorben. Ihr Vater Max wurde am 11. Februar 1944 ermordet.
Recherche: Reinhard Frenzel, Solperstein- AG
Redaktionelle Bearbeitung: HdE
Die Stolpersteine für die Familie London wurden am 3. Februar 2015 in der Josefsstraße 71 verlegt.